Alle wichtigen Stimmungsindikatoren der deutschen Wirtschaft zeigen für das 3. Quartal einen Rückgang. Vor allem in der Industrie ist die Stimmung schlecht, die Auftragsbestände sinken und Investitionen werden aufgeschoben. Das gesamte Jahr 2024 dürfte für die deutsche Wirtschaft mit einer Stagnation beim BIP enden. In Berlin ist der Industrieanteil mit 6,5% allerdings deutlich geringer als im Bund (20,8%), das Wachstum kommt zu einem großen Teil aus den Dienstleistungsbereichen. Wenn Berlin den Wachstumsabstand zum Bund wie im letzten Jahr bei rund 2 Prozentpunkten halten kann, könnte das BIP-Wachstum in Berlin knapp 2% erreichen.
Die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Hauptstadt dürfte sich im laufenden Jahr auf den erstarkenden Konsum stützen. Vor allem die vermehrten Ausgaben der angereisten Fans rund um die Heim-EM haben neben dem Hotel- und Gaststättengewerbe auch weiteren konsumnahen Dienstleistern und Konsumgüterherstellern zu einem Umsatzplus verholfen. Im zweiten Quartal 2024 stiegen zudem zum fünften Mal in Folge die Reallöhne in Berlin, zuletzt um 4,4%, so dass den Berlinern wieder mehr Geld zur Verfügung steht. Gleichzeitig ist die Teuerung in Berlin im August gegenüber dem Vorjahresmonat bereits kräftig auf 1,1% zurückgegangen (Deutschland: 1,9%). Andererseits steigt im August die Zahl der Arbeitslosen auf fast 210.000 und die Arbeitslosenquote ist mit 9,9% kurz davor zweistellig zu werden. Dabei sind aktuell knapp 21.500 Stellen zu besetzen, beispielsweise im Verkauf, beim Objektschutz oder im Gesundheitswesen.
Obwohl die Umsätze der Industrieunternehmen im ersten Halbjahr insgesamt um 1,3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken sind, läuft es bei den exportorientierten Unternehmen inzwischen besser. In den ersten sechs Monaten konnten deren Ausfuhren um 8,4% auf 9,03 Mrd. EUR gesteigert werden. Vor allem Frankreich (+126 Mio. EUR; +20%), die Niederlande (+95 Mio. EUR; +22%), Tschechien (+87 Mio. EUR; +44%) und die USA (+70 Mio. EUR; +9%) haben mehr Waren aus Berlin bezogen. Darunter vor allem pharmazeutische Produkte (+286 Mio. EUR; +26,3%), medizinische Geräte (+111 Mio. EUR; +21,3%) sowie Kraftmaschinen (+102 Mio. EUR; +24,2%).
Zugleich entwickeln sich die Berliner Dienstleistungsbereiche weiterhin überdurchschnittlich stark. In den ersten drei Monaten, neuere Werte sind noch nicht verfügbar, haben sich die unternehmensnahen Dienstleistungsumsätze mit einem Zuwachs von preisbereinigt 5,9% erneut deutlich vom Bundestrend abgesetzt (+1,2%). Besonders die Umsätze im Verkehr- und Logistikbereich (+6,0%) und bei Information und Kommunikation (+7,3%) brummen.
Dennoch gibt es auch in der Hauptstadt strukturelle Probleme, die im Nachlauf der Preiskrise nun aufgedeckt werden. Infolge dessen steigen die Insolvenzen, ein nachlaufender Indikator, nun spürbar. Die Zahl der Bauträger, Start-ups, Händler und Gastronomen, die bereits in den ersten fünf Monaten 2024 aufgeben mussten, ist um 33% auf 876 gestiegen. Die angemeldeten Forderungen von Gläubigern steigen sogar auf das Rekordniveau von insgesamt 9,8 Mrd. EUR – höhere Werte gab es nie. Zudem lahmt der Wohnungsbau, in 2023 wurden nur noch 15.965 Wohnungen fertiggestellt (-7,8%). Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, zumal die die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen im ersten Halbjahr um 31% auf nur noch 4.819 gefallen ist, rund 2.200 weniger als noch im Vorjahreszeitraum.
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